Kürzlich erst sind wir mit einem neuen IP-DECT Wireless System an den Start gegangen. Grund genug für uns, sich einmal mit dem Standard der ortsgebundenen schnurlosen Telefonie auseinanderzusetzen. DECT heißt dieser Standard, der für nichts anderes als Digital Enhanced Cordless Telecommunications steht – auf gut deutsch: Verbesserte digitale Schnurlos-Telefonie. Das bezieht sich natürlich auf den Anfang der 1990er Jahre, in denen der DECT-Standard definiert wurde. Heute gehört DECT-Telefonie sozusagen zum guten Ton und ist in den allermeisten Unternehmen eine Selbstverständlichkeit – zu verbessern gibt es nur noch wenig.
Gründsätzliches zu DECT
DECT ist vor allem für die Telekommunikation in Gebäuden bzw. auf Betriebsgeländen ausgelegt. In Gebäuden ist eine Reichweite von 50m, im Freien von 300m realistisch, was aber durch lokale Gegebenheiten, die Art und vor allem den Ort der Montage von einzelnen DECT-Basen massiv beeinflusst werden kann. Eine Stahltür ist ja auch nicht gerade ein Guckloch… Durch die modulare Möglichkeit der Kombination von einzelnen DECT-Basen können nahezu beliebig große Gebäude. bzw. Betriebsgelände flächendeckend mit einem eigenen „Telefonnetz“ abgedeckt werden. Alle Teilnehmer (bis zu 4096 Mitarbeiter) sind in solch einem Netz ständig und überall auch mobil über ihre reguläre Durchwahl erreichbar – quasi das Tischtelefon für die Hosentasche.
Die DECT-Technik
Der DECT Standard ist im Gegensatz zu den mobilen Technologien GSM, UMTS und LTE eine reine Zugangstechnologie. Es fehlt also eine zentrale Verwaltung und Vermittlung. Diese Aufgabe wird von der an das DECT System angeschlossenen Telefonanlage oder dem Kommunikationsserver übernommen. Die Verwaltung der Funkfrequenzen hingegen übernimmt der DECT-Server. Bei unserem IP-DECT System sind das beispielsweise die DECT-Server WS-400 IP oder WS-650 IP. In Europa ist DECT innerhalb des Frequenzbereichs 1880-1900 MHz definiert. Hier werden 10 Trägerfrequenzen in einem Kanalabstand von 1728 kHz benutzt. Bei DECT finden dabei im Gegensatz zum Mobilfunk die gleichen Frequenzen beim Datentransfer in beiden Richtungen (also jeweils für die Verbindungen von der Basisstation zur Handset bzw. für die Verbindungen vom Handset zur Basisstation) Verwendung. Somit gibt es keine für Up- und Downlink reservierten Frequenzen; die beiden Richtungen des Datentransfers werden durch die Nutzung von unterschiedlichen Zeitschlitzen sichergestellt. Die Rahmendauer beträgt bei DECT 10 ms, in denen im Standard-DECT 24 Zeitschlitze durchfahren werden; jeweils 12 für den Down und 12 für den Uplink. Die Zeitschlitze können je nach Verwendungszweck des DECT Netzes auch anders getimed werden, was an dieser Stelle jedoch für eine weitere Erläuterung zu speziell wäre. Damit Handsets sich problemlos in ein DECT-Netz einbuchen können, müssen alle Basisstation eine spezifische Identifikation ausstrahlen. Diese besteht aus einem globalen Teil, der das installierte Netz kennzeichnet (Access Right Identity, ARI). Ergänzt wird dies durch eine lokale Kennung, die die Nummer der Basisstation innerhalb eines Netzes mit verschiedenen Multizellen (= Basen) angibt (Radio Fixed Part Number, RFN). Ein Mobilteil verfügt dabei über einen oder mehrere Portable Access Rights Keys (PARKs), die seine Zugangsrechte zu dem installierten Netz kennzeichnen. Wird ein DECT-Mobilteil in ein Netz eingebucht werden diese Zugangskeys ausgehandelt und abgespeichert. Jeder Nutzer, der so einmal im Netz eingebucht ist, identifiziert sich in der Folge durch eine (lokal) eindeutige International Portable User Identity (IPUI).
Ein Rufaufbau in einem DECT Netz geht dabei wie folgt von Statten: Eine Basis sendet kontinuierlich ein sogenanntes Beacon, in dem verschiedene für den Rufaufbau wichtige Informationen enthalten sind. Das Handset erkennt dabei dieses Beacon und synchronisiert sich auf den Beaconchannel, die Basis gleicht Zugangsberechtigungen ab – jetzt kann sich das DECT-Handset in das System einbuchen und ein Kanal wird für das Gespräch reserviert. In der Folge werden noch weitere technische Details zwischen Basis und Handgerät ausgehandelt und der Ruf kann aufgebaut werden.
Handover, bzw. das wechseln der Funkzellen in einem Gespräch, findet dabei unterbrechungsfrei zwischen Basis und Mobilteil statt (…zumindest sollte es das bei einer guten Installation…). In der Regel geht die Anfrage zum Einchecken in eine andere Funkzelle dabei von einem Handgerät aus. Bei schlechter Sprachqualität kann aber auch durch eine Basis auch ein Handover innerhalb der aktiven Funkzelle angefragt und ausgeführt werden. Dabei wechselt das Handset innerhalb der gleichen DECT-Basis in einen anderen Funk- bzw. Frequenzbereich. Für eine sehr kurze Zeit wird bei einem nahtlosen (seamless) Handover dabei ein Gespräch in zwei (Funk)Kanälen geführt, die jedoch zwei unterschiedlich getaktete Zeitschlitze nutzen. Nach kurzer Zeit wird das Gespräch dann auf dem besseren (sprich besserer Empfang) der beiden Kanäle fortgeführt, die schlechtere Verbindung wird geschlossen. Der Telefonierer bekommt von diesen Vorgängen im Hintergrund dabei nichts mit – eben nahtlos!
Die Kommunikation zwischen IP-DECT System und TK-Anlage lässt sich zudem mittels SRTP und TLS verschlüsseln – nicht unbedingt unwichtig, da es heute ohne großen Aufwand möglich ist, DECT-Gespräche abzuhören. Werden sensible Gespräche über DECT geführt ist eine Verschlüsselung via SRTP von Vorteil – auch bei unserem IP-DECT Wireless System (Upgrade nötig) ist das im Zusammenspiel mit dem COMmander 6000 möglich. Auf ein How-To für das Abhören von DECT Gesprächen verzichten wir aber an dieser Stelle, schließlich wollen wir den bösen Jungs nicht noch eine Anleitung zur Verfügung stellen.
DECT in der Praxis
Das Schöne an DECT? Dass es so einfach einzurichten ist! Lediglich ein Server (der im Fall der WS-400 IP auch als Basis funktioniert) und ein Mobilteil werden benötigt, um ein System in Betrieb zu nehmen. Auch die Erweiterbarkeit mittels zusätzlicher Basisstationen (bzw. schnurloser Nebenstellen) geht schon mit wenig Erfahrung einfach von der Hand. Besonders easy macht die Installation eines DECT-Netzes die Tatsache, dass die Basisstationen bzw. die einzelnen Funkzellen keine fest zugeteilten Frequenzen benötigen. Sie senden einfach auf dem jeweils besten zur Verfügung stehenden Kanal. Wesentlich anspruchsvoller ist dabei die notwendige Infrastruktur bedarfsgerecht zu installieren: Ist genügend Bandbreite vorhanden bzw. sind die richtigen Switches, Router oder VPNs installiert und eingerichtet worden? Ganz wichtig: Wie und wo bringe ich die einzelnen Funkzellen bzw. Basisstationen an? Hier gilt es darauf zu achten, dass einzelne Basen möglichst optimal angebracht werden, damit es keine Funkschatten gibt bzw. das Signal optimal abgestrahlt werden kann. Ähnlich wie bei einem WLan-Router ist es eine denkbar schlechte Idee, die einzelnen Basisstationen vor dicken Stahltüren, hinter Säulen oder unter dem Schreibtisch anzubringen (Stichwort Reflektionen). Es gilt hier die richtige Balance zwischen einem möglichst unauffälligen Standort und den Bedürfnissen von Funk zu finden. Übrigens stellen wir unseren Fachhändlern auf Anfrage über unseren Service einen Messkoffer mit allerhand technischem Equipment und wertvollen Tipps zur Verfügung, um eine optimale DECT-Ausleuchtung einer Installation zu gewährleisten. Repeater sollten übrigens nur dort installiert werden, wo sie auch Sinn machen. Ein DECT-Repeater ersetzt keine Basis! Der Nachteil eines Repeaters: Es stehen nur maximal 4 Gesprächskanäle zur Verfügung. Sinnvoll einzusetzen sind sie nur in wenig frequentiert Bereichen, da ansonsten schnell das Limit der gleichzeitig führbaren Gespräche erreicht ist. Im Zweifelsfall ist sinnvoller, ein LAN-Kabel zu legen und an dem Ort, an dem DECT benötigt wird, eine weitere Basis zu installieren.
Die Zukunft von DECT
DECT ist momentan bis in das Jahr 2020 mit einer Betriebserlaubnis ausgestattet, die aber so sicher wie das Amen in der Kirche fortgeschrieben wird. Mit CAT-iq steht auch schon ein Nachfolger in den Startlöchern. Kern des wahrscheinlichen DECT Nachfolgers: Neue Codecs und damit eine weiter verbesserte Sprachqualität, mehr Bandbreite die verarbeitet werden kann, die Kompatibilität von Endgeräten verschiedener Hersteller soll harmonisiert werden und proprietäre Software damit im DECT-Bereich der Vergangenheit angehören. So wird auch GAP (Generic Access Protocol) abgelöst werden, dass heute die Kompatibilität von Hardware verschiedener Hersteller sicherzustellen versucht. Gegenseitige Störungen der Funkfrequenzen von DECT, Bluetooth und WLan werden mit dem neuen Standard ebenso der Vergangenheit angehören.
Andererseits beginnt sich das FMC-Konzept (Fixed mobile conversion) auch allmählich in Unternehmen zu verbreiten. Vereinfacht gesagt buchen sich Mobiltelefone einfach in die Telefonanlage eines Unternehmens ein. Durch die Verbindung des Handys via GSM (Mobilfunknetz) zur Telefonanlage wird dieses „DECT“ Netz natürlich eine weltweite Angelegenheit – noch sprechen u.a. die horrenden Roamingkosten aber gegen eine flächendeckende Verbreitung von FMC.
Title pic by marfis75 | Antennen 1 (Westend) | flickr | keine Änderungen vorgenommen | CC BY-SA 2.0
Ein Kommentar